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Biographische Notizen

Christian Werner Thomsen wurde am 1. August 1940 in Dresden geboren. Die frühe Kindheit war geprägt durch die Kriegserlebnisse der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 und die anschließende Flucht, zunächst ins Erzgebirge zu den Großeltern, die ein Hotel an der deutsch-tschechischen Grenze betrieben. Von dort ging es in die bayerische Oberpfalz und anschließend nach Bensheim an der hessischen Bergstraße.

Ihm bereitete ab 1946 schon die Volks-/Grundschule in Bensheim-Auerbach großes Vergnügen, dank Helmut Schaders, eines unvergessenen Klassenlehrers. Dieser verstand es, die Kinder ideal zu motivieren und bereits in so frühen Jahren behutsam an Literatur heranzuführen. In Hessen dauerte damals die vierte Klasse der Grundschulzeit 1 ½ Jahre, weil vom Frühjahrs- auf Herbstbeginn umgestellt wurde.

Es schlossen sich drei Jahre am Alten Kurfürstlichen Gymnasium zu Bensheim an. Dies war derart konfessionell ausgerichtet, dass es sogar getrennte Fahrradständer für katholische und evangelische Fahrräder gab.

Der Vater wurde Vertriebsleiter einer Telefongesellschaft, womit im zweijährigen Turnus Ortswechsel verbunden waren. So verlief der Schulweg Christian Thomsens im Anschluss an Bensheim über das Ludwigs-Georgs-Gymnasium Darmstadt, ein hervorragendes altsprachiges Gymnasium, zum Johanneum, der Hamburger Eliteschule, das Karl-Friedrich-Gymnasium in Mannheim, die älteste Schule der Stadt, und schließlich an das Karls-Gymnasium in Stuttgart, wo er 1961 das Abitur ablegte. Dort gewann er sieben von neun vergebenen Preisen, darunter den für den besten Deutsch-Aufsatz von 14.687 Abiturienten des Landes Baden-Württemberg (Zentralabitur).

Jeder Schulwechsel war mit dem Verlust von Freunden, aber auch mit dem Gewinn neuer Freunde und Eindrücke verbunden. Das einschneidendste Erlebnis in Hamburg bestand in der Entdeckung eines schweren Herzfehlers, der als eine der ersten Herzoperationen in Deutschland, noch ohne Computer und Herz-Lungen-Maschine, bei einer Mortalitätsrate von 80 %, erfolgreich operiert wurde.

Die Zeit in Mannheim war gekennzeichnet durch intensive Theater- und Opern-Erlebnisse. Die Mutter eines Freundes war eine bekannte Schauspielerin, die ihrem Sohn und seinem Freund Christian Thomsen zu Statistenrollen in Oper und Schauspiel sowie jederzeit freiem Eintritt verhalf.

Die Verbindung zu Stuttgarter Klassenkameraden sind bis in die Gegenwart erhalten geblieben. Ab dem Sommersemester 1961 studierte Christian W. Thomsen in Tübingen Anglistik, Germanistik und Theaterwissenschaften. Mit Beginn des 3. Studiensemesters wurde er in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen, für die er nach seiner 1967 erfolgten Promotion mehr als 30 Jahre in Auswahl-Ausschüssen und als Vertrauensdozent tätig war. 1964/65 studierte er am University College London, an dessen Bartlett School of Architecture er 40 Jahre später eine Gastprofessur wahrnahm. Nach seiner Rückkehr aus England folgte Christian W. Thomsen dem Anglisten Kurt Otten nach Marburg. Er wurde 1967  mit einer Dissertation über Seneca and Pre-Shakespearean Tragedy Ottens erster Assistent und ab 1971 sein erster Habilitand.

Das folgenschwerste Ereignis in Christian Thomsens früher Assistentenzeit war ein unverschuldeter Glatteis-Autounfall im Januar 1968. Dabei erlitt er sechs Schädelbrüche, einen doppelten Schädelbasisbruch, gelähmte Augen, Trümmerbrüche in Fuß und Knie sowie eine völlig zerschmetterte rechte Hüfte. Bei einer ärztlich konstatierten Überlebenschance von eventuell 1 % gelang ihm letzteres nur mit Hilfe von neun Marburger Freunden und Kollegen, die, einander abwechselnd, sechs Wochen lang Nachtwache bei dem Schwerstverletzten hielten.

Getreu dem Grundsatz, „was mich nicht umbringt, macht mich stärker“, gelang nach Genesung und zahlreichen Operationen die Habilitation in Rekordzeit. Dabei erwuchs die brennende Liebe zum eigenen Fach, aber auch die zu interdisziplinärer Forschung und Lehre. Im Jahr 1969 heiratete Christian Thomsen die Modedesignerin Ingeborg Stahringer, 1972 und 1975 wurden die beiden Söhne Kai und Jörg geboren. Der Kultusminister des Landes Hessen ernannte Christian Thomsen 1972 zum Professor für englische und amerikanische Literatur der Universität Marburg. Dort erfolgte 1973 die Habilitation in Anglistik und Amerikanistik mit einer Arbeit über Das Groteske im englischen Roman des 18. Jahrhunderts.

Mit der Berufung als Gründungssenator für Anglistik an die damalige Gesamthochschule und spätere Universität Siegen (August 1973 ) begann für Christian Thomsen ein neuer Lebensabschnitt mit einer Fülle wissenschaftlicher Aktivitäten.

Seit 1982 kamen neben der Anglistik auch Lehre und Forschung in Architektur und Medienwissenschaft dazu. Thomsen übernahm Gastprofessuren an den Universitäten Jerusalem, Kopenhagen, Los Angeles (UCLA), London (Bartlett School of Architecture) Houston, Vancouver (UBC), Wien (Angewandte), Groningen. Er führte Regie in Filmen, Hörspielen und Theaterstücken und organisierte zahlreiche internationale wissenschaftliche Symposien und Kunstausstellungen, bevor er 2005 emeritiert wurde.

Christian Thomsen ist bisher Autor und Herausgeber von 57 eigenen Büchern und selbst herausgegebenen Sammelwerken sowie 37 weiteren Büchern im Rahmen der Reihe Siegen, Winter Verlag, Heidelberg, ca. 250 größeren Aufsätzen in den Bereichen Literatur, Theater, Architektur, Design und Medien. Thomsen hat lange Zeit an führenden Kunst-und Architekturzeitschriften in Deutschland, Österreich, Schweiz, Kanada und Japan mitgearbeitet  und Hochschulpartnerschaften zu UBC Vancouver und University of Gainesville, Florida aufgebaut. Seit 1995 bildete Thomsen einen weiteren Schwerpunkt im Bereich des Dokumentarfilms; er schuf 13 Künstlerporträts und 30 Dokumentarfilme in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Medienzentrums der Universität Siegen und studentischen Filmgruppen. Seine Forschungsinteressen verlagerte er auf künstlerische und regionale Themen über Siegen und das Siegerland, was zu einer engen Zusammenarbeit mit führenden Firmen in Groß- und Einzelhandel sowie verschiedenen Industrien führte.

Unter dem Einfluss des Architekturkollegen, -autors und Freundes Ulf Jonak entwickelte Christian Thomsen eine Passion für Architektur. Er publizierte und lehrte in diesem Fach seit 1982. Im Laufe der Jahre kamen ca. 120 Architektur-Aufsätze sowie 10 Architekturbücher und zwei über Design zusammen, viele von ihnen zweisprachig oder jeweils in englischen und deutschen Ausgaben. Weltweiten Erfolg erlangte er mit seinen Büchern Visionary Architecture from Babylon to Virtual Reality (1994) und Sensuous Architecture. The Art of Erotic Building (1996). Das verschaffte ihm Kooperationen und Freundschaften mit zahlreichen prominenten Architekten. Thomsen war auch einer der ersten Publizisten, die über mittlerweile weltweit bekannte Architekten wie Coop Himmelblau, Zaha Hadid, Bernard Tschumi, Daniel Libeskind, Morphosis, Toyo Ito u.a. schrieb und für sie publizistisch zu Felde zog. Sein Buch Mediarchitecture wurde in 12 Ausgaben (1994 – 1996) der berühmten japanischen Architekturzeitschrift architecture and urbanism veröffentlicht.

Nach der 2005 erfolgten Emeritierung fuhr Christian Thomsen fort, mit ausgewählten Studierenden sowie seinen DoktorandInnen umfangreiche Projektseminare abzuhalten. Eines von ihnen resultierte in dem auch international erfolgreichen Buch über den Heißluftballonsport Erkundungen im Luftmeer (2008). Am längsten überleben wird aber wohl Menschenfresser: In Mythen, Kunst und fernen Ländern (1983 und 2006), seine Kulturgeschichte des Kannibalismus.

Wenn es Christian Thomsen vergönnt wäre, im nahgelegenen Wald eine medizinisch versierte Fee zu treffen, die seine sturzbedingten Bruchverletzungen hinwegzaubern und ihm seinen Herzenswunsch erfüllen könnte, nämlich noch einmal mit der gesamten Familie „up in the air“ in einem Ballon fahren zu dürfen, dann würde er vor allem seinen Enkeln Paul, Tim und Mats zeigen, um wie vieles schöner, entspannender und friedlicher die Welt von einem Heißluftballon aus erscheint, denn aus einem Hochgeschwindigkeitszug oder Jet.  Theoretisch kein Problem, da er als Ehrenmitglied des Ballonsportclubs Hilchenbach an der Quelle sitzt,  aber die Medizinmänner senken ihre Daumen und so wird es wohl beim Wunsch bleiben.

Christian W. Thomsen

born 1940 in Dresden, Germany. He survived the allied air raids of February 1945 while more than 120 people died in his parents‘ apartment. Eventually the family flew to the West.

Christian Thomsen finished his school career at Stuttgart’s famous „Karls-Gymnasium“ where he graduated in 1961 and won 7 out of 9 prices. He subsequently received a scholarship from the German Scholarship Foundation reading German, Theater, English and American Studies at University of Tuebingen, University College London and University of Marburg. PhD on Seneca and Pre Shakespearean Tragedy 1967 (University of Marburg). In 1969 married to fashion designer Ingeborg Stahringer. Two sons, Kai Andrew, born 1972 and Jörg Matthew, born 1975. Professor of English Literature, Marburg 1972. Habilitation in English and American Literature, Marburg, 1973.

Founding senator, full professor and head of the English Department at the new University of Siegen 1973. Founding director of the University of Siegen’s „Audiovisual Media Center“ 1975. Co-editor of „REIHE SIEGEN, Studies on Literature, Language and Media Sciences“ from 1975 – 2006, 220 vols. 1980 chair offered at University of Duesseldorf (rejected), also 1986 at UBC Vancouver. 1981 -1987 member and for two years director of the University of Siegen’s „Research Institute in the Humanities and Social Sciences“. 1987 -1988 founding of Germany’s first „Postgraduate School in the Humanities“. 1987 – 1999 co-founder of the German Research Council’s „Interdisciplinary Research Institute in Media Sciences“ at the University of Siegen. It developed into Germany’s largest media research institute with a staff of more than 120 researchers and more than 5.000 publications (representative director tor six years, president for four years). 1991 – 1995 director of the University of Siegen’s „Institute for European Literature and Media Culture“. 1995 – 2005 director of Siegen’s „Media Academy in Further Education“. 1993 -1994 co-design and opening of BMW’s multi-media museum in its Munich research plant (FIZ).

Christian Thomsen retired in 2005. Until 2015 he published 32 books of his own, edited another 24 as main contributor, often with international research teams, and 38 in his function as co-editor of REIHE SIEGEN (The Siegen Series).Visiting professorships at UBC Vancouver, Copenhagen, Jerusalem, UCLA, Bartlett School of Architecture London, Houston, Vienna, Groningen.

Under the influence of architectural writer, friend and colleague Ulf Jonak Thomsen developed a passion for architecture, hence publishing and teaching in architecture theory, history, criticism since 1982. He wrote ten books on architectural topics and two on design, many of them in English or in German and English editions. He gained worldwide success with his books Visionary Architecture from Babylon to Virtual Reality (1994) and Sensuous Architecture. The Art of Erotic Building (1998). Thomsen was also one of the first writers to publish on and fight for meanwhile leading architects as Coop Himmelblau, Zaha Hadid, Bernard Tschumi, Daniel Libeskind, Morphosis, Toyo Ito etc. Out of more than 250 essays and criticism published in leading journals in Germany, Austria, Canada, Japan, USA, Great Britain and Switzerland more than 120 deal with architectural topics. His book Mediarchitecture was published in 12 issues of Japan’s architecture and urbanism (1994 -1996).

His most successful book, yet, which will survive him for many years, is his cultural history of Cannibalism, Menschenfresser. .. (Man Eaters), 1983 and 2006.

Having directed many plays in his earlier years, organizing international conferences and in cooperation with his wife Inge, fashion designer and art gallerist, many art exhibitions, Christian Thomsen turned to documentary films since 1995. The result: 44 documentaries and artist portraits. After retirement in 2005 he went on working with selected groups of students and his PhD students. One of the results: the world’s largest book on hot air ballooning, the family hobby, Erkundungen im Luftmeer (Explorations in the Air) 2008.

If a benign fairy would meet Christian Thomsen in the nearby forest and grant him just one wish, he would ask for the pleasure to once more get „up, up in the air“ in a balloon with his wife, his architect son Joerg, his son Kai, IT-expert and pilot and his little grandsons Paul and Tim, to show the latter how much more beautiful, relaxing and peaceful the world looks from a balloon than from high speed trains or airplanes.